Die gute finanzielle Ausgangslage nutzen
31.10.2025
Der Kanton Graubünden befindet sich weiterhin in einer soliden finanziellen Lage. Seit über 20 Jahren schreibt er laufend schwarze Zahlen. Hauptgründe dafür sind einerseits steigende Steuererträge, andererseits die finanzpolitischen Richtwerte, die jährlich zu haushaltspolitischer Disziplin verpflichten.
Das Eigenkapital des Kantons Graubünden hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Es ist daher folgerichtig, dass dieses auch über Steuersenkungen abgebaut wird. Der Grosse Rat hat mit der letztjährigen Senkung des Steuersatzes um fünf Prozent sowie mit der Teilrevision des Steuergesetzes in diesem Jahr die Steuerlast der Privatpersonen insgesamt um rund 45 Millionen Franken reduziert. Damit ist der Kanton Graubünden insbesondere für Familien steuerlich attraktiver geworden – ein richtiger Schritt angesichts der demografischen Entwicklung. Diese Steuerentlastung entspricht in ihrer Grössenordnung jener aus dem Jahr 2006.
Gute finanzielle Ausgangslage
Im Vergleich zu 2006 präsentiert sich die Eigenkapitalsituation heute deutlich besser. Per Ende 2025 dürfte der Kanton über ein Eigenkapital von rund 1,5 Milliarden Franken verfügen, wovon etwa die Hälfte zweckgebunden ist. Darunter befinden sich 200 Millionen für die Spezialfinanzierung «Klimaschutz und Innovation». Die andere Hälfte in der Höhe von rund 730 Millionen Franken ist frei verfügbares Eigenkapital. Seit 2006 hat der Kanton auf operativer Ebene durchschnittlich einen Jahresgewinn von rund 100 Millionen Franken erzielt. In dieser Zeit stiegen die Ausgaben um 28 Prozent, während die Steuererträge trotz der damaligen Entlastung um 35 Prozent zulegten. Besonders die Steuereinnahmen natürlicher Personen nahmen dank eines breiteren Steuersubstrats kontinuierlich zu.
Erneute Senkung des Steuersatzes um fünf Prozent
In den letzten zehn Jahren betrug die Zunahme der kantonalen Steuern im Durchschnitt 25 Millionen Franken pro Jahr. Damit wird die jüngste Steuerentlastung innerhalb von zwei Jahren kompensiert sein. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Senkung des Steuersatzes im kommenden Jahr folgerichtig. Eine Reduktion um erneut fünf Prozent ist keineswegs finanzpolitisch leichtsinnig, sondern ein sinnvoller Schritt, um den Kanton Graubünden für Erwerbstätige weiterhin attraktiver zu machen. Die wiederkehrenden Haushaltsüberschüsse zeigen vielmehr, dass er über Jahre hinweg zu hohe Steuereinnahmen erzielt hat.
Keine Umgehung der finanzpolitischen Richtwerte
Neben den steigenden Steuererträgen haben insbesondere die finanzpolitischen Richtwerte wesentlich zur guten Ausgangslage beigetragen. Sie führen bei der Budgeterstellung in der Verwaltung zu jährlich wiederkehrenden Entlastungsbemühungen. Diese «Bündner Schuldenbremse» ist auch angesichts wachsender Ausgaben strikt einzuhalten. Der Grosse Rat ist daher gehalten, vornehmlich bei den laufenden Aufwendungen keine Ausnahmen von den Richtwerten zu beschliessen.
Masshalten bei laufenden Ausgaben
Ausgabenerhöhungen sollten sich auf Investitionen und Massnahmen beschränken, die zur Steigerung der Wertschöpfung beitragen. Die gut gefüllte Investitionsplanung des Kantons für die kommenden Jahre ist daher zu begrüssen. Um die Wertschöpfung zu steigern, sind Mehrausgaben einzig in den Bereichen Berufsbildung, Höhere Bildung und Forschung zielführend. Dagegen kann und darf der Kanton nicht einen Grossteil der Kostensteigerungen im Sozial- und Gesundheitswesen übernehmen. Sowohl der Transfer- als auch der Verwaltungsaufwand sind im Griff zu behalten. Steigen die laufenden Ausgaben zu stark, werden früher oder später Entlastungsprogramme unvermeidlich. Daher gilt: Lieber heute Mass halten bei der Erhöhung der Ausgaben halten, als morgen einschneidende Sparmassnahmen beschliessen müssen.
Steuerentlastungen als Investition in die Zukunft
Vor vierzig Jahren belegte Graubünden im interkantonalen Steuerranking in fast allen Bereichen die hintersten Plätze. Eine schrittweise Reform hin zu einem wirtschaftsfreundlicheren Steuerklima wurde damals vom BGV über mehr als zehn Jahre hinweg mit hoher Priorität verfolgt, wie im Artikel zur Geschichte des BGV zu lesen ist. Auch wenn der Kanton Graubünden heute in den Steuerrankings besser dasteht, wird sich der Bündner Gewerbeverband in den kommenden Jahren für bessere steuerliche Rahmenbedingungen einsetzen. Ein gutes steuerliches Umfeld ist jedoch nur möglich, wenn finanzpolitische Disziplin gewahrt bleibt. Es gilt, die derzeit gute Finanzlage zu nutzen, aus einer Position der Stärke zu handeln und in die Zukunft zu investieren – auch über weitere Steuerentlastungen. Als nächster Schritt unterstützt der Bündner Gewerbeverband eine erneute Steuersatzreduktion für natürliche Personen. Mittelfristig sind auch Unternehmen, insbesondere KMU zu entlasten.

