Zwei Familienbetriebe in dritter Generation
29.08.2024
Die Puschlaver Familienbetriebe Vecellio Costruzioni AG und Vecellio Legno SA haben ihre Nachfolge geregelt. Während Manuele das Baugeschäft von seinem Vater Andrea Vecellio ohne Schwierigkeiten übernommen hat, gestaltete sich die Nachfolge des Schreinerbetriebes von Giovanni zu Enzo Vecellio nicht so reibungslos.
Manuele Vecellio unterhält sich mit seinem vier Jahre jüngeren Cousin Enzo Vecellio bei einem Kaffee oder beim Mittagessen regelmässig über ihre Geschäfte. Die gegen-
seitige Unterstützung bezeichnen beide als wertvoll. Am Ende müssen sie ihre Betriebe aber selbst führen, die sie von ihren Vätern, den Brüdern Andrea und Giovanni Vecellio, übernommen haben. Gegründet wurde das ursprüngliche Geschäft vor mehr als 75 Jahre von ihrem Grossvater.
Nachfolge ohne externe Unterstützung
«Bei mir hat sich die Betriebsübernahme abgezeichnet», erzählt Manuele Vecellio. Als er 2016 nach Lehr- und Wanderjahren in die Vecellio Costruzioni AG zurückkehrte, war klar, dass er als Bauingenieur dereinst die Nachfolge seines Vaters Andrea antreten wird. Schritt für Schritt wurde diese eingeleitet und geregelt, ohne auf externe Unterstützung zählen zu müssen. Andrea hatte an der HSG das Thema Nachfolgeregelung umfassend behandelt. Zuerst als theoretischen Stoff, und in einer zweiten Phase mit praktischen Beispielen. «Wir haben uns die Zeit genommen, Ziele gesetzt, diese verfolgt und die Nachfolge allein hinbekommen.» 2021 löste Manuele seinen Vater definitiv ab. «Natürlich gab es immer wieder auch harte Diskussionen», erzählt der 37-jährige Unternehmer. Der Vater arbeitet noch immer im Betrieb und auch heute seien sie nicht immer gleicher Meinung. «Wir respektieren aber die anderen Ansichten und Ideen. Wichtig war und ist uns beiden, dass das Geschäftliche nicht ins Privatleben übergeht», erklärt Manuele. Sich in die Augen zu schauen und nach dem Feierabend ein Bier zusammen zu trinken, das gehöre dazu. «Unser Blick richtete sich immer nach vorne», so der Inhaber der Baufirma. Gleichzeitig ist klar, wer am Ende die unternehmerischen Entscheide trifft und gegenüber den 30 Angestellten als Chef auftritt. Dass er oft auch an arbeitsfreien Tagen im Betrieb anzutreffen ist, das sei die Kehrseite der Medaille als Unternehmer. Manuele Vecellio spricht von einer grossen Verantwortung, die er gegenüber seiner Familie und seinen Mitarbeitern trage. Dass der Betrieb dereinst in die vierte Generation übergehen kann, das ist sein Ziel. Darum hat er in San Carlo Gewerbeland erworben, auf dem er mit der Vecellio Costruzioni AG in den nächsten Jahren wachsen und sie weiterentwickeln möchte.
Auf externe Hilfe angewiesen
Am 1. Januar 2024 hat der 32-jährige Enzo Vecellio die Vecellio Legno SA von seinem Vater Giovanni übernommen. Nach seiner Schreinerlehre in der Engadiner Lehrwerkstatt in Samedan und zwei Jahren in Zürich kehrte er 2016 kurzzeitig ins Puschlav zurück, weil man ihn im elterlichen Betrieb brauchte. Es folgte eine Weiterbildung in Chur, das Studium als Holztechniker in Biel und ein Praktikumsjahr bei der Künzli Holz AG in Davos. 2019 zog es ihn definitiv nach Poschiavo zurück. Sein Vater Giovanni Vecellio war bereits länger an Parkinson erkrankt, was die Nachfolgeregelung nicht einfach machte. «Und wir haben beide einen sturen Grind», erklärt Enzo Vecellio. Im Betrieb hätten sie unterschiedliche Auffassungen, wie die Vecellio Legno SA zu führen sei und organisiert werden müsse. «Er ist ein Chef der alten Schule. Ich wollte gleichzeitig die Firma Schritt für Schritt modernisieren, zum Beispiel die Digitalisierung, interne Struktur und Prozesse vorantreiben.» Ein zusätzlicher Stolperstein bei der Firmenübergabe der Vecellio Legno SA trug die Rechtsform bei, weil man die frühzeitige Umwandlung in eine Aktiengesellschaft verpasst hatte. «Wir haben uns zu stark um das Tagesgeschäft gekümmert. Wir hätten uns intensiver mit solchen Fragen befassen sollen», schaut Enzo Vecellio zurück. Um die Herausforderung zu meistern, haben sie schliesslich externe Beratung aus der Bank- und Treuhandbrache beigezogen. Die Nachfolge ist nun geregelt. «Ich bin aber froh, dass ich weiterhin auf meinen Vater zählen kann. Seine Bereitschaft, sein Willen und seine Kompetenz machen ihn für mich zum Vorbild», sagt Enzo. Und Vater Giovanni ist auch stolz, kümmert sich sein Sohn mit Herzblut um die 20 Angestellten, Auszubildenden und vor allem um die Zukunft ihrer Vecellio Legno SA. Sein Sohn Enzo sagt am Schluss: «Ich bin froh, ist die Nachfolge nun durch. Mehr als einmal war ich nahe dran, alles liegenzulassen.»
Geschichte der Vecellios
Was 1957 mit der Gründung der auf Hochbau ausgerichteten Einzelfirma Dante Vecellio in Le Prese begann, ist ständig gewachsen. Heute beschäftigen beide Firmen
zusammen rund 50 Mitarbeitende. Ein Meilenstein war 1972 die Übernahme des Sägerei- und Schreinereibetriebes Lardi Sincero SA. Als Dante Vecellio nur sechs Jahre später infolge einer Krankheit plötzlich verstarb, musste der erst 22-jährige Bauzeichner Andrea Vecellio die Firma sozusagen über Nacht übernehmen. Fünf Jahre später stiess sein jüngerer Bruder Giovanni Vecellio dazu und unterstützte ihn als Schreiner in der zur Kollektivgesellschaft umgewandelten Fratelli Vecellio. Giovanni übernahm in den Jahren danach die Leitung der Schreinerei/Zimmerei-Abteilung, Andrea leitete das Bauunternehmen. 2001 wurde die Fratelli Vecellio in zwei Unternehmen aufgeteilt. Giovanni gründete die Vecellio Legno, Andrea die Vecellio Costruzioni, die mittlerweile beide in Aktiengesellschaften umgewandelt worden sind.

