BGV mit kritischer Haltung zu den EU-Verträgen
19.11.2025
Der Bündner Gewerbeverband bekennt sich zu stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen im Verhältnis zur EU. Die neuen EU-Verträge bieten Chancen, bergen jedoch erhebliche Risiken. Kritisch betrachtet der BGV den drohenden Regulierungsdruck infolge der dynamischen Rechtsübernahme. Wirksame flankierende Massnahmen sind unabdingbar, um KMU und Gewerbe vor den negativen Folgen zu schützen – dies ist die Forderung des BGV.
Der BGV hat im verbandsinternen Vernehmlassungsprozess gegenüber dem Schweizerischen Gewerbeverband Stellung zu den neuen EU-Verträgen bezogen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind auch für die Bündner Wirtschaft von grosser Bedeutung. Der BGV hat die bilateralen Verträge in der Vergangenheit daher stets unterstützt. Die bilateralen Verträge, welche in Kraft sind, haben sich bewährt und – allen Unkenrufen zum Trotz – funktionieren gemäss Beurteilung des BGV grösstenteils. Die neuen Abkommen sind nicht aufgrund «freundschaftlicher Beziehungen» zu beurteilen, sondern ausschliesslich nach ihrem konkreten Inhalt. Bei der Bewertung von Verträgen ist Sachlichkeit erforderlich; Chancen und Risiken sind nüchtern abzuwägen. Verträge dienen nicht der Freundschaft, sondern den Interessen der beteiligten Parteien.
Personenfreizügigkeit und Marktzugang
Der BGV unterstützt die bisherigen Verträge zur Personenfreizügigkeit. Die grenznahen Regionen in Graubünden sind auf eine unbürokratische Personenfreizügigkeit mit dem angrenzenden Ausland, wie sie aktuell besteht, angewiesen. Kritisch sieht der BGV die Kosten der «Erweiterung der anspruchsberechtigten Gruppen». Diese zusätzlichen Kosten dürfen nicht zulasten der Unternehmen und der arbeitenden Bevölkerung gehen. Der BGV unterstützt die bisherige Haltung des sgv zur Weiterentwicklung der flankierenden Massnahmen im Lohnschutzbereich, um faire Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen. Eine Erweiterung des Marktzugangs ist grundsätzlich zu begrüssen, muss jedoch auf einer fundierten Kosten-Nutzen-Analyse beruhen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der EU-Binnenmarkt fragmentiert ist und die Marktzugangshürden zwischen den Ländern aktuell eher ausgebaut als abgebaut werden.
Gefahren der dynamischenRechtsübernahme
Der BGV äussert erhebliche Bedenken gegenüber der dynamischen Rechtsübernahme. Diese stellt nach Einschätzung des BGV die grösste Gefahr der neuen EU-Verträge für die KMU in der Schweiz dar, da sie zu einer erheblichen Zunahme der Regulierung führen dürfte. Dieses weitgehend neue Verfahren ist mit hohen Risiken verbunden, insbesondere für binnenwirtschaftlich orientierte KMU. Es droht nicht nur, das politische und rechtliche System der Schweiz zu verändern, sondern auch die unternehmerischen Rahmenbedingungen nachhaltig zu belasten. Statt der dynamischen Rechtsübernahme hätte der Bundesrat in allen Verträgen das Äquivalenzverfahren verankern sollen, welches der schweizerischen Rechtstradition entspricht, da es eine eigenständige Umsetzung von EU-Recht vorsieht. Die dynamische Rechtsübernahme hingegen bedeutet die unmittelbare Geltung von EU-Recht in der Schweiz und führt zu einem erheblichen Regulierungsdruck. KMU und Gewerbe wären dadurch zusätzlichen Belastungen ausgesetzt.
Wirksame flankierende Massnahmen
Insbesondere im Bereich der dynamischen Rechtsübernahme sind daher klare Grenzen und wirksame Schutzmechanismen erforderlich, um die Interessen der Schweizer Wirtschaft und namentlich der KMU langfristig zu sichern. Im Rahmen der Vernehmlassung hat der BGV vier konkrete Massnahmen vorgeschlagen:
- Unabhängige Regulierungsprüfungsstelle: Einrichtung einer verwaltungsexternen Instanz, welche die Umsetzung von EU-Recht in der Schweiz kritisch prüft und die Arbeit der Schweizer Vertretung im Gemischten Ausschuss begleitet.
- Begrenzung des Bundespersonalwachstums: Um den Vollzug neuer EU-Vorschriften in der Schweiz nicht mit einem unverhältnismässigen Stellenaufbau zu belasten, ist das Wachstum der Bundeslohnsumme klar zu begrenzen.
- Gesetzliche Grundlage für die Schweizer Vertretung im Gemischten Ausschuss: Die Schweizer Vertretung soll ein klares, gesetzlich verankertes Mandat erhalten. Zuständigkeiten, Auswahlverfahren, Berichterstattungspflichten und Entscheidungsprozesse sind verbindlich im nationalen Recht festzulegen. So wird sichergestellt, dass die Schweizer Interessen konsequent gewahrt bleiben.
- Verfassungsmässiger Vorrang des nationalen Rechts: Die Bundesverfassung ist dahingehend zu ergänzen, dass Schweizer Recht im Konfliktfall Vorrang vor EU-Recht hat, insbesondere wenn dieses im Rahmen der dynamischen Rechtsübernahme eingeführt wurde.
Der Kantonalvorstand des BGV hat entschieden, den neuen EU-Verträgen nur zustimmen zu können, sofern der Bundesrat wirksame Schutzmechanismen gegen die drohende Regulierungsflut aufgrund der dynamischen Rechtsübernahme einführt. Diese Schutzmechanismen sind im nationalen Recht verbindlich zu verankern, damit der BGV den neuen EU-Verträgen zustimmen kann.

