Das Bauhauptgewerbe hat die Krisen gemeistert
02.12.2025
Das Bauhauptgewerbe im Kanton Graubünden befindet sich im Wandel. Die Erwartungen an Nachhaltigkeit, Effizienz und Arbeitsbedingungen steigen. Diese Herausforderungen verlangen nicht nur technische Antworten, sondern ein neues Selbstverständnis der «Baumeister-Branche».
Aufgrund seiner Grösse und seiner Topografie ist Graubünden ein ausgeprägter «Infrastrukturkanton». Neun Prozent betrug 2023 der Wertschöpfungsanteil des Bauhauptgewerbes (Quelle: BAK Economics, Basel). Ein einschneidendes Ereignis für die Baubranche in Graubünden war 2012 die Einführung des Zweitwohnungsgesetzes. Insbesondere in tourismusgeprägten Regionen kam es zu einem markanten Rückgang der Baubewilligungen. Bauunternehmen im Hochbau und bei Sanierungen mussten sich neu ausrichten. Parallel dazu erschütterten Preisabsprachen im Unterengadin das Vertrauen in die Tiefbau-Branche. Der Graubündnerische Baumeisterverband (GBV) reagierte mit Transparenz- und Aufklärungsinitiativen, um die Compliance in der Branche zu stärken und das beschädigte Image wieder herzustellen. Die Förderung von fairer Vergabepraxis und brancheneigener Integrität ist seither ein zentrales Anliegen des Verbands. Seit einigen Jahren schreitet die Konsolidierung im Bauhauptgewerbe voran. Kleinere Betriebe verschwinden, mittlere und grössere Unternehmen wachsen, oft über Fusionen oder Beteiligungen. Damit verbunden ist ein Professionalisierungsschub mit zunehmendem Kostendruck, der sich auch in steigenden Baupreisen widerspiegelt. Diese werden durch Material- und Lohnkosten sowie höhere Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Umweltverträglichkeit getrieben.
Recycling wird wichtiger
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Baustoff Beton. Als Inbegriff des massiven Bauens steht er seit Jahren im Fokus der Klimadebatte. Rund acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen entfallen auf die Zementproduktion. GBV-Geschäftsführer Andreas Felix betont, dass Beton «zunehmend Teil der Lösung» sein kann. Moderne Technologien ermöglichen die dauerhafte Einlagerung von CO₂ im Baustoff, wodurch dieser sogar zur Kohlenstoffsenke werden kann (siehe Seite 15). Recyclingbeton erfüllt heute bereits sämtliche Normen, wird gemäss Felix aber von Bauherren und Planern noch zu selten eingesetzt. Der Verband setzt deshalb auf faktenbasierte Kommunikation, Weiterbildung und politische Interessenvertretung. Die Materialwahl, so Felix, müsse sich künftig noch mehr an der Funktion eines Bauwerks und nicht an ideologisch aufgeladenen Grundsätzen orientieren. Tatsächlich ist Beton in vielen Anwendungen alternativlos. Hochbauten, Tunnel, Brücken, Kraftwerksbauten oder Schutzbauten gegen Naturgefahren erfordern robuste, langlebige Materialien. «Entsprechend wichtiger werden das Recycling, die Wiederverwendung sowie der Einsatz innovativer und nachhaltiger Materialtechnologien.»
Veränderte Anforderungsprofile
Der Transformationsdruck auf die Branche wird auch durch den Fachkräftemangel verschärft. Viele Bauunternehmen finden kaum noch qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere in technischen und leitenden Funktionen. Gleichzeitig sind die Zahlen der Lernenden im Bauhauptgewerbe Schwankungen ausgesetzt. 2024 haben 57 Lernende die Ausbildung als Maurer/in und 12 als Strassenbauer/in/Strassenbaupraktiker/in begonnen. Im Sommer 2024 waren es 46 respektive 11 Lernende, die in ihre Ausbildung gestartet sind. Die Branche setzt auf verstärkte Nachwuchsförderung, moderne Ausbildungsmodelle und Vereinbarkeit von Beruf und Weiterbildung. «Wir setzen alles daran, die Bauberufe im Kanton für junge Menschen attraktiv zu machen», so Felix.
Auch die Digitalisierung hält Einzug auf den Baustellen. Automatisierung, Robotik und digitale Bauprozesse versprechen Effizienzgewinne und könnten personelle Engpässe zumindest teilweise abfedern. Sie verändern jedoch auch die Anforderungsprofile und können die Arbeit für die heutige Generation attraktiver machen. Es braucht Weiterbildungen und neue Kompetenzen, vom Baumaschinenführer bis zur Bauleiterin. «Das Bauhauptgewerbe steht vor einer anspruchsvollen, aber chancenreichen Zukunft. Was es braucht, ist nicht nur technologischer Fortschritt, sondern auch Dialog, Offenheit und der Wille zur Veränderung. Gebaut wird in Graubünden auch in Zukunft viel werden, aber zunehmend anders als bisher», sagt Felix.
Bauhauptgewerbe Graubünden
Das Bauhauptgewerbe in Graubünden beschäftigt in der Bausaison rund 5000 Mitarbeiter und setzt ein Bauvolumen von rund einer Milliarde Franken um. Der Anteil des Tiefbaus beträgt 55 Prozent und derjenige des Hochbaus 45 Prozent. Die Branche bildet junge Menschen in den Berufen Maurer/in, Strassenbauer/in, Pflästerer/Pflästerin, Gleisbauer/in, Grundbauer/in sowie Industrie- und Unterlagsbodenbauer/in aus.

